Aluminium und Wasserkraft

Die Töginger Zentren

Gründerzentrum für Handwerk und Gewerbe (GHG)

Ein Zentrum für Start-ups, Erfinder und Tüftler. Foto: Wolfgang Bittner

Um Start-ups, Erfindern, und Tüftlern die Möglichkeit zu geben, sich mit überschaubarer finanzieller und geringer unternehmerischer Belastung ihrer Idee hingeben zu können, förderte der Freistaat Bayern in den 1990er-Jahren die Errichtung von Zentren für Existenzgründer. Dem genannten Personenkreis werden dabei je nach Bedarf Werkstatt-, Praxis- und/oder Büroräumlichkeiten zu günstigen Bedingungen bereitgestellt. Bürodienste sowie Telekommunikation und weitere Serviceleistungen, aber auch Beratung und Seminare werden von einer Zentrale aus geleitet, Synergien effektiv genutzt. Auch Töging erhielt nach dem industriellen Showdown eines dieser staatlich geförderten Zentren. Dazu wurde das ehemalige Laborgebäude der VAW umgebaut und um einen Werkstatt-Trakt ergänzt. Mit dem Landkreis Altötting und den beiden örtlichen Banken gründete die Stadt eine entsprechende Betreibergesellschaft und eine städtische Baugesellschaft. Eine Reihe von Existenzgründern aus der näheren und weiteren Umgebung hat sich seitdem im Gründerzentrum eingenistet, um es dann nach vereinbarter Zeit – meist mit geeigneten Entwicklungen – wieder zu verlassen. Die Stadt hoffte natürlich immer darauf, dass sich Unternehmer aus dem GHG nach einem erfolgreichen Start mit ihrem Gewerbebetrieb in Töging niederlassen würden. So geschehen mit dem Online-Handel für Büroartikel BigOrder, der sich nun im Verbund-Verwaltungsgebäude eingemietet hat.

Anlaufstelle für Unternehmen aus der gesamten Region. Foto: Wolfgang Bittner

Wirtschafts-Service-Zentrum

Ein Zusammenschluss bedeutender Unternehmen der Region hat sich zur Aufgabe gesetzt, sowohl angehende als auch ansässige Gewerbetreibende zu beraten und mit Kreativität und Kompetenz zu unterstützen. Dazu errichtete die Kreishandwerkerschaft im Eingangsbereich des ehemaligen VAW-Geländes ein beeindruckendes Bauwerk, das entsprechend seiner Zielsetzung Wirtschafts-Service-Zentrum (WSZ) genannt wurde. Es präsentiert sich als „Anlaufstelle für Unternehmen aus der gesamten Region“. Spezialisten bieten in betriebswirtschaftlichen wie in technischen Belangen umfassende Beratung. Dadurch „ergeben sich kurze Wege, zahlreiche Synergien sowie Raum für Innovation und neue Technologien“, wirbt das WSZ.

Grünes Zentrum

Das Landwirtschaftsamt im ehemaligen VAW-Verwaltungsgebäude (links) und das Haus des Bayerischen Bauernverbandes (rechts) bilden zusammen das Grüne Zentrum. Foto: R. Ludwig Joachimbauer

Im Zuge von Verwaltungsreformen der bayerischen Staatsregierung war eine Zusammenlegung der Landwirtschaftsämter Altötting und Mühldorf eine feste Vorgabe. Vor allem wegen der räumlichen Enge in den beiden bisherigen Amtsstuben in Neuötting und Mühldorf wurde nach einem neuen Domizil Ausschau gehalten. Töging, an der Nahtstelle zwischen beiden Landkreisen gelegen, bot sich mit seinen Gebäuden im ehemaligen Industriegebiet als mögliche Niederlassung an. Zugleich war man auf kommunalpolitischer Ebene daran interessiert, den gebeutelten Industriestandort durch die Ansiedlung eines überregionalen Amtes zu fördern. Töging erhielt den Zuschlag und so richtete sich im Jahr 2005 das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) im ehemaligen Verwaltungsgebäude der VAW ein. Auch der Maschinenring, die Landwirtschaftsschule und weitere Abteilungen siedelten sich hier an. In unmittelbarer Nähe erwarb der landwirtschaftliche Unternehmer
Karl Kaiser das ehemalige VAW-Pförtnerhaus und errichtete an dieser Stelle ein Gebäude, in dem der Bayerische Bauernverband unterkam. Dieses Gebäude wurde 2016 um ein beträchtliches Stück erweitert, um den gestiegenen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Landwirtschaftsamt und Bauernverbands-Bauwerk firmieren zusammen als „Grünes Zentrum“.

Kulturzentrum Kantine

Die ehemalige Werkskantine behielt auch als Kulturzentrum ihren Namen. Foto: R. Ludwig Joachimbauer

Mit der ehemaligen VAW-Kantine fiel der Stadt Töging ein Gebäude zu, das in der Fabrikarbeiter-Tradition seit jeher eine enorme soziale Bedeutung hatte. Da der Toerringhof umstrukturiert und das Gasthaus Gillhuber in die Jahre gekommen war, stand in der ganzen Stadt kein repräsentativer Saal mit Theaterbühne mehr zur Verfügung. Nun bot sich geradezu zwangsläufig die Idee an, das Kantinengebäude in einen Stadtsaal umzugestalten. Begünstigend kam hinzu, dass der für das örtliche Vereinsleben bedeutsame Trachtenverein „GTEV Enzian“ auf der Suche nach neuem Vereinsheim und Saal mit zeitgemäßer Bühneneinrichtung war. Die Stadt beauftragte 1998 ein Münchner Architekturbüro mit der planerischen Entwicklung von Stadtsaal, Bühne, Gastronomie und Trachtenheim im Einklang mit dem bestehenden Kantinengebäude. Als sich dann der Stadtrat nach heftigen Diskussionen über den Kostenrahmen auf ein tragfähiges Konzept geeinigt hatte, konnte mit dem Neubau und der Umgestaltung begonnen werden, wobei der Trachtenverein ein beträchtliches Stück Eigenleistung einbrachte. Entstanden ist im Jahr 2000 ein gefälliges, multifunktionales Gebäude, das den gestellten Ansprüchen genügte. Und dieses galt es nun mit Leben zu füllen. Der Name wurde in einem Wettbewerb gesucht. Kein Vorschlag fand letztlich so viel Zustimmung wie der einfache Name „Kantine“, da hiermit Vergangenheit und Zukunft vereint würden. Die Stadt machte daraus das „Kulturzentrum Kantine“.

Seminarzentrum Netzwerk

Platz für Besprechungen, Tagungen und Seminare, Zeit für einen Plausch bei Kaffee, Snacks und Kuchen: das Netzwerk. Foto: R. Ludwig Joachimbauer

Das mittelständische Töginger Innenausbauunternehmen Baierl & Demmelhuber erwarb 2008 auf dem ehemaligen Gelände der Vereinigten Aluminiumwerke Baugrund, um ein Zentrum für Seminare, Betriebstagungen und Besprechungen zu errichten. Die Architektin Eva Demmelhuber plante keinen reinen Zweckbau. Äußere Form und Innenarchitektur sollten sowohl die örtliche Vergangenheit als auch technische Innovation spiegeln. Der Fassade ist eine netzartige Aluminium-Streckmetall-Oberfläche vorgesetzt, welche die enge Verbindung zum ehemaligen Industriestandort Töging unterstreicht. Das Seminarzentrum bekam den Namen „Netzwerk“. Es steht Bildungsträgern, Institutionen, Vereinen und Unternehmen offen für Seminare, Tagungen und Abendveranstaltungen.

Ein architektonisches Pendant findet das „Netzwerk“ in der benachbarten „Formstelle“. In entgegengesetzter Fluchtlinie präsentiert sich der Pavillon als kubischer Baukörper mit sanft verlaufender Wabenstruktur unterschiedlicher Größen und Lichtdurchlässigkeit auf der Aluminiumverkleidung der Fassade. Untergebracht sind hier Büros für Architektur, Projektplanung und dergleichen mehr.

Silo 1

Einst industrieprägendes Wahrzeichen Tögings – heute Treffpunkt der jugendlichen Musikszene. Foto: R. Ludwig Joachimbauer
Logo Silo. Zeichnung: Stefan Hanninger

Zwar nicht dem Namen, aber seiner Bedeutung nach auch ein Zentrum – für Jugendliche und jung Gebliebene: das „Silo 1“. Der Landschaftsarchitekt Wolfgang Wagenhäuser erwarb den industrieprägenden Siloturm der VAW, einst die Lagerstätte der Weißen Tonerde, dem Grundstoff zur Aluminiumherstellung. Mit Gespür für die Verbindung von grobschlächtiger, kühler und zweckbestimmter Industriesubstanz mit unkonventioneller, avantgardistisch angehauchter Innenarchitektur entwickelte Wagenhäuser Räumlichkeiten, die jugendlichen Vorstellungen entsprachen. Der neu gegründete gemeinnützige Kulturverein „Siloland“ organisiert seitdem beständig Live-Konzerte. Viele junge Leute werden von Punk und Rockabilly, von Blues und Independent Musik, von Open-Air-Kino, Kabarett, Ausstellungen und Partys angezogen. Mit dem „Silo 1“ erlangte die junge Töginger Kulturszene überregionale Bedeutung.